Ausdruck und Bewegung
Der Mensch erlebt sich als körperlich-psychische Einheit im Kontakt mit sich selbst, mit anderen Menschen und der Umwelt. Psychisches Erleben findet im Fühlen des Körpers statt. Das Fühlen des Körpers führt zu psychischem Erleben. Die Erfahrung von Lebendigkeit wird immer aus beiden Quellen gespeist, die miteinander in einem energetischen und inhaltlichen Wechselspiel stehen, das Verhalten und bedeutungsvolle Handlungen erzeugt.
Dabei können Menschen ihre Körperlichkeit auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise erfahren und ausdrücken. Biografie und aktuelle Lebenssituation sind dafür ausschlaggebend.
In der körperpsychotherapeutischen Ausdrucks- und Bewegungsarbeit nutzen wir einerseits die Sprache des Körpers, um auf psychisches Erleben einzuwirken - und lassen ebenso psychische Zustände einen körperlichen Ausdruck erzeugen. Der spielerisch gestaltete Umgang mit den Affekten (Interesse, Freude, Überraschung, Trauer, Wut, Ekel, Verachtung, Angst, Scham, Schuld), beispielsweise in der Bewegungsarbeit, ermöglicht eine „verkörperte Selbstwahrnehmung“ (Fogel - Selbstwahrnehmung und Embodiment in der Körperpsychotherapie/Schattauer Vlg Verlag, Stuttgart, 2013, S.39).
Die Einladung ist z.B., sich von Musik der unterschiedlichsten Art inspirieren zu lassen. Bewegungen und Körperhaltungen, Gesichts- und Stimmausdruck darf spontan entstehen und auch bewusst gewählt werden. Wechselnden Impulsen wird unmittelbar gefolgt, darin geht man mit anderen Teilnehmern in Kontakt. Durch das Vermeiden von gewohnheitsmäßigen „schönen“, auf Außenwirkung bedachten Tanzbewegungen, kann sowohl Begrenzung als auch eigenes Gestaltungspotenzial bewusst werden. Dauerhaft im Körper abgespeicherte Blockaden, die sich als Ausdrucksarmut zeigen, werden fühlbar. Durch die Einheit von Wahrnehmung und Bewegung in der Hingabe an das Spüren des eigenen Seins, durch selbstbewussten Umgang damit und Übertreibung, lässt sich aus Dilemma kreative Lebensfreude entwickeln. Wenn man z.B. eigener unwillkürlicher Steifheit und Hemmung eine ungebremste, bizarre Gestalt verleiht und darin mit anderen in Kontakt geht. Aus Spaß an sich selbst kann das Gefangensein in dem Verhaltensmuster gewandelt werden. Zu fühlen, dass der eigene „Spielraum“ deutlich größer ist, als man annimmt oder gewohnt ist, ist eine vitalisierende und beglückende Erfahrung.
Alles das findet in Begegnung mit anderen Menschen statt, die ebenfalls die Verschiebung ihrer Erlebens- und Ausdrucksgrenzen wagen und untersuchen. Und somit entsteht eine ganz besondere Verbundenheit. Das Miteinander in dieser einerseits ekstatischen oder genauso auch sehr stillen Art und Weise erlaubt hochintensive Erfahrungen, die die natürliche menschliche Sehnsucht nach Nähe und Autonomie berührt und erfüllen kann.