Streaming Theatre
Streaming Theatre ist eine Synthese aus reichianischer Körperarbeit und Schauspieltraining, die der amerikanische Konzertpianist und Theatermann Al Bauman, Mitbegründer von SKAN, entwickelt hat. Streaming Theatre wurde zu einer Möglichkeit der Körperarbeit in der Vertikalen. Sie steht in der Tradition großer Schauspiellehrer wie Konstantin Stanislawski, Michael Tschechov oder Lee Strasberg. Streaming Theatre wird heute mit Laienensembles erfolgreich von Loil Neidhöfer, Hamburg und Rainer Conrad, Köln auf öffentliche Bühnen gebracht.
Durch die im Leben erfahrenen seelischen Verletzungen sind Spontanität und Unmittelbarkeit bei den meisten Menschen blockiert. Die natürliche Freiheit im Ausdruck der Gefühle ist gewohnheitsmäßig gebremst und reduziert. Steifheit, Unbeweglichkeit, Gehaltensein im Körper erzeugen gefangene Charaktere, die sich im immer gleichen Modus begegnen. Schmerzhaft begrenzt und abgetrennt vom eigenen Potential - unfähig, sich wirklich lebendig im Miteinander zu erleben.
Im fortschreitenden Verlauf der Körperarbeit in der Horizontalen (Einzelsitzungen) kann eine deutliche Befreiung des emotionalen Ausdrucks gelernt werden. Schliesslich geht es darum, das gewonnene Energiepotential und den erweiterten persönlichen Spielraum auch in der Aufrichtung/der Vertikalen ausdrücken zu lernen. Für diesen Vertiefungsprozess ist das Streaming Theatre eine effektive Möglichkeit der Selbsterfahrung - praktiziert in der Skan-Gruppentherapie.
Streaming Theatre heisst, lebenslang manifestierte Verhaltensmuster und unlebendiges Beziehungsverhalten zu fühlen und dadurch zu verdeutlichen. Und es heisst - sich einmal völlig unkonventionell zu bewegen, das Gesicht aus der gewohnten Maske entgleisen zu lassen, mit der Stimme zu improvisieren. Wir schaffen Gelegenheit, ungewohnte Möglichkeiten für emotionalen Ausdruck zu erproben und zu vertiefen. So kann der eigene Spielraum im direkten zwischenmenschlichen Kontakt wahrgenommen werden - Begrenzungen genauso wie Flexibilität. Rollen werden mit oder ohne Vorgabe im Monolog oder Ensemble verkörpert. Darin kann spontan und intuitiv lebendige Nähe zu den Mitspielern gewagt werden - in der Provokation wie im Mitgefühl.
Die Wirksamkeit dieser Selbsterfahrungsebene bestätigt auch die moderne Gehirnforschung:
"Neurobiologisch gesehen ist die gezielte Imitation, also das angeleitete Nachmachen von emotional bedeutsamen mimischen Ausdrucksformen und Körpergesten, mehr als das Erzeugen eines äußeren Scheins ohne innere Bedeutung. Untersuchungen mit modernen bildgebenden Verfahren konnten zeigen, dass die Imitation einer von Gefühlen begleiteten Geste auch die jeweils dazugehörenden Emotionszentren aktivieren kann. Dies bedeutet: Die bewusste Übernahme einer bestimmten Geste oder eines bestimmten Gesichtsausdrucks kann – zumindest zu einem gewissen Grad – eine Mitreaktion der entsprechenden Gefühle erzeugen." (Joachim Bauer - Warum ich fühle, was du fühlst / Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, 2005, S.141)
In dem von uns so genannten Aus-dem-Charakter-Treten kann man hinauswachsen über mechanisches, beziehungsloses Verhalten hinein in eine kraftvolle Präsenz und lebendige Kontaktfreude.
SRI - Szenische Re-Integration
SRI - Szenische Re-Integration ist ein aus der Skan-Körperpsychotherapie und dem zugehörigen Streaming Theatre erwachsenes Verfahren.
Immer wenn wir in der Gegenwart mit anderen Menschen in Beziehung gehen, werden automatisch und unbewußt im Gehirn Erinnerungen aktiviert. Diese beinhalten eine Vielzahl von Erlebnissen und Ereignissen mit Personen aus der Vergangenheit.
Unvermeidlich übertragen wir deshalb immer auch Erfahrungen mit historischen Personen aus unserem Leben auf die Menschen, mit denen wir in Kontakt sind. Handelt es sich dabei um negative Erinnerungen, die aber nicht als solche erkannt werden und sich daher wie Aspekte der Gegenwart anfühlen, so kann dies die persönliche Kontaktfähigkeit tiefgreifend einschränken. Wir verwechseln unser Gegenüber in solchen Momenten unbewusst mit prägenden Personen der Vergangenheit (z.B. Eltern, frühere Beziehungspartner, Autoritätspersonen o.ä.) - und verhalten uns, wie wir es im Kontakt mit diesen Menschen womöglich über lange Zeiträume gelernt und verinnerlicht haben.
Insbesondere traumatisierende zwischenmenschliche Erfahrungen sind der bewussten Aufmerksamkeit und Erinnerung oft nicht unmittelbar zugänglich. Sie sind in dem Teil unseres Gedächtnisses gespeichert, das sich auf unser Erleben und Verhalten auswirkt, aber zunächst nicht als bewusstes Wissen wahrgenommen werden kann. Nun hat die Erforschung der Lernfähigkeit des Gehirns aber aufgezeigt, dass sich umgekehrt intensiv gefühlte neue Erfahrungen auch mit alten Erinnerungen verknüpfen und diese dadurch nachhaltig verändern können.
In der von Loil Neidhöfer entwickelten SRI-Arbeit, der sog. szenischen Re-Integration, gestalten wir korrigierende Erfahrungen von traumatisierenden Begebenheiten. Dazu werden zunächst ungelöste, bis in die Gegenwart als belastend empfundene Lebenssituationen erinnert, die stellvertretend typische Empfindungs- und Verhaltensmuster aus der Vergangenheit repräsentieren. Durch das Gestalten von Szenen werden derartige offen gebliebene Situationen nachvollzogen. Dabei versuchen die Teilnehmer des jeweiligen Seminars, die darin bisher verborgenen emotionalen Aspekte zu finden, zu fühlen, zu erleben und auszudrücken. Dieses geschieht mit Unterstützung des Leiters und durch in dieser Arbeit bereits erfahrene Personen. Bei der Szenischen Re-Integration handelt es sich um ein tiefgehendes, körperorientiertes und emotional interaktives Verfahren, das dysfunktionale Emotionen und Verhaltensmuster spürbar und verständlich werden lässt und hochintensive positive Alternativerfahrungen ermöglicht.
„ ... liegen die Wurzeln der SRI in der Gestalttherapie, der Skan-Körperarbeit und Al Baumans Streaming Theatre. Es geht bei der Szenischen Re-Integration getreu ihrem körperorientierten Hintergrund ausschließlich darum, den in der organismischen Tiefe seit Jahren oder Jahrzehnten zurückgehaltenen oder eingefrorenen authentischen emotionalen Ausdruck zu lösen. Genau dort setzt die SRI-Arbeit in der Praxis auch an: im Zentrum der unerledigten "offenen Gestalt" bzw. der traumatischen Erfahrung.“
„Diese emotionalen Befreiungen werden in der SRI oft dadurch initiiert, daß man ausspricht, was man in seinen kühnsten Träumen nicht gewagt hätte. Und auch dadurch, daß man zu hören bekommt, was man nicht für möglich gehalten hätte. Die Herauslösung des emotionalen Ausdrucks kann sowohl beim aktiven Spielen auf der Bühne, beim Zuschauen im Publikum oder auch mit Verzögerung erst nach einem solchen Workshop stattfinden. Herauslösung des eingefrorenen emotionalen Ausdrucks ist nicht in jedem Falle gleichzusetzen mit Expressivität. Es kann sehr stille, subtile emotionale Expansionen geben in einer Person; es muß nicht unbedingt laut werden. Dabei ist die emotionale Lösung letzten Endes kein Selbstzweck; vielmehr gehen wir davon aus, daß kompletter Ausdruck und das dadurch initiierte verbesserte energetisch-emotionale "Fließgleichgewicht" zu einer veränderten Lebensweise im Sinne selbstregulatorischer Prozesse führt. Kompletter emotionaler Ausdruck macht den Weg frei für neue Befindlichkeiten: aus Hass kann dann wieder Liebe werden.“ (Loil Neidhöfer)
Loil Neidhöfer, Verfasser von "Intuitive Körperarbeit", war seit vielen Jahren als Gestalt- und Körperpsychotherapeut tätig. Er ist Mitbegründer der SkanAkademie Hamburg und - Szenenwechsel - arbeitete als Autor und Regisseur für eine freie Theatergruppe der Hamburger Off-Szene.